Tagungsbericht der Konferenzreihe „Key Concepts in Interreligious Discourses“

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The Concept of Prophecy and the concept of Spiritual Beings in Judaism, Christianity and Islam
Tagung der Konferenzreihe „Key Concepts in Interreligious Discourses“, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 26.-28. Juni 2024

Es gibt Konzepte, die in allen drei großen monotheistischen Religionen vorkommen. Doch wäre es vorschnell, allein aus der begrifflichen Übereinstimmung abzuleiten, dass Judentum, Christentum und Islam über Zeit und Religionsgrenzen hinweg das Gleiche darunter verstehen. Zentralbegriffe wie Offenbarung, Frieden oder Leiblichkeit, die bereits in den letzten Jahren Gegenstand der Konferenzreihe waren, haben in den Religionen sowohl eine unterschiedliche Wirkungsgeschichte als auch systematische Bedeutung. Dabei lassen sich zwischen den Religionen zwar Gemeinsamkeiten entdecken – aber auch viele Unterschiede.

Diesem Umstand widmet sich seit 2016 die Konferenzreihe Key Concepts in Interreligious Discourses (KCID). Seit der Gründung des Bayerischen Forschungszentrums für Interreligiöse Diskurse (BaFID) im Jahr 2020 wird die Konferenzreihe von diesem Zentrum verantwortet und veranstaltet. Das BaFID widmet sich dem Studium jüdisch-christlich-islamischer Diskurse in Vergangenheit und Gegenwart. Die dreimal jährlich stattfindende KCID-Konferenzreihe spielt eine zentrale Rolle in der Arbeit des Zentrums.

Ziel der Konferenzen ist es, eine verlässliche akademische Grundlage für interreligiöse Beziehungen zu schaffen und das gegenseitige Verständnis füreinander zu stärken. Dazu wurden auch dieses Mal international führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den jeweiligen Gebieten eingeladen, einen Beitrag zu leisten. Die beiden Themenschwerpunkte der diesjährigen Sommerkonferenz waren Prophetie und geistige Wesen.

 

The Concept of Prophecy in Judaism, Christianity and Islam

Der erste Konferenztag widmete sich dem Konzept der Prophetie, das in allen drei Religionen eine wichtige, wenn auch unterschiedliche Bedeutung hat.

Prof. Dr. Howard Kreisel von der Ben-Gurion University of the Negev eröffnete die Konferenz mit einem Vortrag über das Konzept der Prophetie im Judentum. Er konzentrierte sich auf die Philosophie des Maimonides und dessen Vorstellungen von Prophetie. Nach Meinung Kreisels liegt der Reiz an Maimonides‘ Erläuterungen zur Prophetie darin, dass er das supernaturalistische Moment an der Prophetie philosophisch erde. Propheten sind nach Maimonides‘ Vorstellung Menschen mit großen intellektuellen Fähigkeiten und moralischer Perfektion; sie seien in der Lage, die Zeichen der Zeit zu interpretieren. Diese Auffassungen stehen damit in starkem Kontrast zu den traditionellen rabbinischen Auffassungen der Prophetie, in der die Erwählung durch Gott Voraussetzung ist.

Prof. Dr. Marco Frenschkowski von der Universität Leipzig beleuchtete das christliche Verständnis von Prophetie. Er erläuterte, dass Prophetie in der christlichen Tradition sowohl als Vorhersage zukünftiger Ereignisse als auch als Verkündigung des göttlichen Willens verstanden wurde. Frenschkowski untersuchte die biblischen Grundlagen der Prophetie, besonders die Rolle der Propheten im Alten Testament und deren Erfüllung im Neuen Testament durch Jesus Christus, was in Bezug auf das Judentum heute als problematisch betrachtet wird. Er diskutierte außerdem die Fortsetzung der prophetischen Tradition im antiken Christentum und die Unterscheidung zwischen echten und falschen Propheten, die besonders in den paulinischen Briefen eine wichtige Rolle als Identitätsmarker spielt. Dabei hob er hervor, dass Prophetie im Christentum eine egalitäre Dimension habe und prinzipiell allen Gläubigen eine prophetische Rolle zukommen könne.

Prof. Dr. Zishan Ghaffar von der Universität Paderborn beleuchtete das Konzept der Prophetie im Islam. Er begann mit einer kurzen Phänomenologie der islamischen Prophetologie und erläuterte dabei die koranische Unterscheidung zwischen Prophezeiung, Prophetenschaft und Propheten. Ghaffar verdeutlichte anhand der Analyse von Koranversen die Grenzen der prophetischen Fähigkeiten: Propheten seien weder allwissend noch im Besitz göttlicher Schätze, sondern lediglich Übermittler göttlicher Offenbarungen. Eine Besonderheit der koranischen Prophetie sei, dass sie trotz ihrer eschatologischen Ansprüche stets anti-apokalyptisch sei. Damit grenze sich der Koran, so Ghaffar, von der prophetisch-apokalyptischen Kriegspropaganda des Umfelds ab, in dem sich der Islam formierte.

In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass in allen Religionen Bestrebungen existierten, die Zeit der Prophetie zu beenden – sei es durch Maleachi, Johannes den Täufer oder Muhammad, als jeweils letzte Propheten. Dennoch tauchen in der Religionsgeschichte immer wieder Personen auf, die entweder selbst von sich behaupten, Propheten zu sein, oder von anderen als solche betrachtet werden. Eine kohärente Typologisierung von Prophetie ist daher religionsgeschichtlich in allen drei Religionen kaum zu leisten.

 

The Concept of Spiritual Beings in Judaism, Christianity and Islam

 Schon vor den Vorträgen des zweiten Tages zeichnete sich ab, dass Engel eine besondere Rolle unter den geistigen Wesen zukommt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Vorstellungen und Bedeutungen von Engeln einen großen Raum in den Vorträgen und der anschließenden Diskussion einnahmen.

Prof. Dr. Mika Ahuvia von der University of Washington in Seattle eröffnete die Tagung mit einem Vortrag über geistige Wesen im Judentum. Sie erläuterte die vielfältigen Rollen und Darstellungen von Engeln und anderen geistigen Wesen in der jüdischen Tradition, wobei sie sowohl auf biblische als auch auf außerbiblische Quellen zurückgriff. Ahuvia betonte die Schutz- und Heilfunktionen von Engeln, wie sie in magischen Texten und Amuletten der Spätantike zum Ausdruck kommen. Sie erläuterte auch die enge Verbindung zwischen Engeln und der göttlichen Präsenz sowie die Entwicklung der Engelvorstellungen in der jüdischen Mystik und Liturgie.

Prof. Dr. Friedrich Reiterer von der Paris Lodron Universität Salzburg sprach über das Konzept der geistigen Wesen im Christentum. Er begann mit einer Untersuchung der verschiedenen ontologischen Ebenen, wie sie in der Bibel beschrieben werden: die materielle Welt, die Welt der geistigen Wesen und die Sphäre Gottes. Im Alten Testament nehmen Engel eine Mittlerfunktion zwischen Gott und Mensch ein. Reiterer betonte die Vielfalt der biblischen Begriffe und Beschreibungen für geistige Wesen, einschließlich Engel, Seraphim, Cherubim und Dämonen. Auch er betonte die Rolle dieser Wesen als Boten und Beschützer. Zudem ging er auf die Entwicklungen der Engellehre in der kirchlichen Tradition und deren Einfluss auf die christliche Kunst und Liturgie ein. Die Frage nach der Rolle des Heiligen Geistes im Vergleich zu Engeln bestimmte die Diskussion. Auch wenn der Heilige Geist in der christlichen Tradition die Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen größtenteils übernehme, komme Engel in ihrer Funktion als Beschützer und Anzeiger des Heiligen nach wie vor eine wichtige Bedeutung zu.

Dr. Stephen Burge vom Institute of Ismaili Studies in London schloss die Konferenz mit einem Vortrag über geistige Wesen im Islam ab. Er erläuterte die unterschiedlichen Kategorien von Engeln, Dschinn sowie Dämonen und deren Rollen in der islamischen Theologie und Folklore. Burge verwendete semiotische Quadrate, um die komplexen Beziehungen zwischen diesen Wesen und den Menschen darzustellen. Er untersuchte die binären Gegensätze von Licht und Dunkelheit, Wohlwollen und Bosheit sowie Gehorsam und Ungehorsam. Während Engel und Dämonen entweder positive oder negative Einflüsse auf das menschliche Leben ausüben können, wird die islamische Vorstellung des Dschinns um eine Kategorie bereichert, die sich der Gut-Böse-Dichotomie entzieht und einen eigenen Willen haben. Dies stellte er als einen großer Unterschied zu Engeln in der islamischen Tradition heraus, die sich dem Willen Gottes nicht widersetzen – anders als im Christentum.

Die Konferenz „The Concept of Prophecy and the Concept of Spiritual Beings in Judaism, Christianity and Islam“ bot einen tiefgehenden Einblick in die komplexen und vielfältigen Vorstellungen von Prophetie und geistigen Wesen in den drei monotheistischen Religionen. In den Vorträgen und den anschließenden Diskussionen zeigten sich sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede in den jeweiligen Traditionen und die Bedeutung dieser Konzepte für das religiöse Verständnis und die Praxis heute. Dabei konnten die Teilnehmenden und Vortragenden aus den Diskussionen wichtige Impulse für die eigene Forschung mitnehmen, die sich auch in der Publikation der überarbeiteten Vorträge niederschlagen werden. Die Beiträge werden im kommenden Jahr in der Buchreihe „Key Concepts in Interreligious Discourses“ (KCID) bei De Gruyter veröffentlicht. Die Buchreihe vereint in diskursiver Auseinandersetzung mit den verschiedenen Religionen vertiefende Studien zu zentralen Konzepten im Judentum, Christentum und Islam. Um die Beiträge der Öffentlichkeit zeitnah zugänglich zu machen, werden die Vorträge, wie auch schon in den Vorjahren, als Videos auf dem YouTube-Kanal des BaFID[1] veröffentlicht.

 

Von Gerrit Mauritz

Bayerisches Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse, FAU Erlangen-Nürnberg

[1] https://www.youtube.com/@bafid2020

 

Erscheinungsort: Cibedo-Beiträge 2024/Heft 3